Mit Blick auf die
Handelsbeziehungen
zwischen den USA und China
dürfte sich mit dem neuen
Präsidenten nur der Stil,
nicht aber die Substanz
ändern. Seine Politik hat
jedoch Auswirkungen auf
die Märkte in Asien.
Die Wahl Joe Bidens zum
Präsidenten der USA markiert
einen Kurswechsel in einer Vielzahl
von Themenbereichen, von den
Stimulierungsmaßnahmen bis hin zur
Rückkehr zum Pariser Abkommen.
Doch was bedeutet dies für Asien?
Diese Frage lässt sich aus zwei
Perspektiven betrachten: zum
einen mit Blick auf die direkte
Zusammenarbeit zwischen den
Regierungen der USA und der
asiatischen Länder sowie deren
Wirtschaftsbeziehungen und
zum anderen mit Blick auf die
Auswirkungen der Innenpolitik der
USA auf die asiatischen Märkte.
Von Handel bis Sicherheit
Es bietet sich an, mit dem
Handelskrieg zwischen den USA
und China zu beginnen, der zu
einem der Markenzeichen der
Trump-Administration wurde.
Unter Biden werden sich die
Beziehungen zwischen den beiden
Ländern aller Voraussicht nach
deutlich entspannen, wobei der
Ton freundlicher und das Verhältnis
berechenbarer werden dürften.
Die inhaltliche Position wird sich
indes vermutlich nicht allzu sehr
von der der Vorgängerregierung
unterscheiden. Das Magazin
The Diplomat formulierte es
folgendermaßen: „Ein harter Kurs
gegenüber China ist eines der ganz wenigen Themen, bei denen sich
die beiden US-Parteien einig sind.“1
Seit der Zeit, als Biden Vizepräsident
unter Obama war, hat sich in den
USA die öffentliche und politische
Stimmung gegenüber China
zunehmend verschlechtert,
vor allem aufgrund der Stärke und
der Ambitionen des Landes. Für
Biden gibt es wenig zu gewinnen,
wenn er China gegenüber nachgibt.
Bei einer kürzlich von Nomura
durchgeführten Kundenbefragung
gingen 60% der Teilnehmer
davon aus, China würde eine
Biden-Regierung bevorzugen, da
es sich eine Verbesserung der
Kommunikation und Abnahme der
Spannungen erhoffe. Allerdings
erwarteten 65%, dass die
Flitterwochen zwischen China und
den USA nur drei bis sechs Monate
dauern werden. Fast drei Viertel
(70%) rechnen nicht mit einer
Senkung der chinesischen Zölle im
Jahr 2021.2
Der Broker ING erwartet, dass
sich im Umgang mit China
„wahrscheinlich eher der Stil, nicht
aber die Substanz ändern“ wird,3 und
dies ist eine weit verbreitete Ansicht.
Es ist auch kaum zu erwarten, dass
sich Biden für eine Rückkehr der USA
zu asiatischen Handelsabkommen
wie der Transpazifischen
Partnerschaft einsetzen wird, aus
der sich Trump 2016 zurückgezogen hatte (die anderen Mitglieder
haben eine überarbeitete Fassung
des Abkommens ratifiziert, das
Comprehensive and Progressive
Agreement for Trans-Pacific
Partnership oder CPTPP; viele dieser
Mitglieder haben seitdem ein weiteres
asiatisches Handelsabkommen,
das RCEP, unterzeichnet). Nur
wenige gehen davon aus, dass der
Wiedereintritt für die USA Priorität
hat; einige Experten rechnen mit
einer Intensivierung des Handels
zwischen den USA und Indien, das
sich nicht am RCEP beteiligt hat.
Selbst wenn kein Handelsabkommen
unterzeichnet wird, gibt es eine
gewisse Hoffnung, dass sich
Biden, wie Obama vor ihm,
um eine Annäherung an Asien
bemühen wird. In der Praxis wird
es wahrscheinlich vor allem um
eine engere sicherheitspolitische
Zusammenarbeit mit Japan,
Australien, Indien und einigen ASEANLändern und nicht unbedingt explizit
um Handel und Investitionen gehen, auch wenn das eine zum anderen
führen kann. Der Handel innerhalb
Asiens wird indes weiter zunehmen.
Auswirkungen auf Anlageklassen
Es stellt sich die Frage, wie sich
Bidens Innenpolitik und die
Entwicklung der US-Wirtschaft auf die
Anlageklassen in Asien auswirken
werden.
Das wichtigste Beispiel ist hier
das 1,9 Billionen US-Dollar
schwere Rettungspaket, das Biden
verabschiedet hat, um amerikanische
Haushalte und Unternehmen bei
der Erholung von der Pandemie zu
unterstützen. Die singapurische
Bank DBS erwartet, dass sich das
US-Wachstum von -3,2% im Jahr
2020 auf +5,5% in diesem Jahr
erhöhen wird.4 Dies würde wiederum
das globale Wachstum beflügeln
und asiatischen Exporteuren
zugutekommen.
Nachhaltigkeit war eines der
wichtigsten Wahlkampfthemen der
Biden-Administration, und es wird
einen klaren Fokus auf Investitionen
in erneuerbare Energien und
Infrastruktur im Inland geben, wovon
auch Aktien von Unternehmen aus
Asien, die in diesen Bereichen tätig
sind, profitieren dürften, während
Branchen, die als nicht nachhaltig
gelten, stärker unter die Lupe
genommen werden. (Moody’s
weist beispielsweise darauf hin,
dass dadurch „die Risiken im
Zusammenhang mit dem Übergang
zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft
für Industriesektoren stärker in den
Fokus rücken könnten, die in vielen
asiatischen Ländern eine wichtige
Rolle spielen, vor allem Energie,
Automobil, Öl und Gas sowie Stahl“.)5
Viele erwarten, dass sich
Schwellenländeranleihen gut
entwickeln werden, wenn Anleger
ihre Portfolios auf der Suche
nach Rendite umschichten.
Eine Voraussetzung ist, dass die
US-Renditen niedrig bleiben, während
sich das Land von der Pandemie
erholt, und die Angst vor weiteren
Schäden für die Weltwirtschaft
abnimmt. Vor allem chinesische
Anleihen bieten einen erheblichen
Zinsvorteil gegenüber US-Treasuries.