Die Ausfälle auf dem europäischen Hochzinsmarkt sind auf einem Tiefpunkt, berichtet Jake Lunness, Analyst für High Yield und Emerging Market Debt bei Columbia Threadneedle Investments. Ob Refinanzierungsniveaus, Gaspreise oder die Wiedereröffnung Chinas: Bessere Bedingungen in verschiedenen Bereichen sorgen für mehr Optimismus.
Nach dem Ende des ersten Quartals 2023 wird deutlich: Der europäische Markt für Hochzinsanleihen widersetzt sich weiterhin den Erwartungen. Im Jahr 2022 waren die Aussichten für diese Anlageklasse leicht besorgniserregend: Die Deutsche Bank rechnete Bloomberg-Berichten zufolge mit einer Ausfallquote von 3,8 Prozent. Trotz dieser Befürchtungen sind im vergangenen Jahr weniger als 0,5 Prozent des EHY-Marktes ausgefallen, was weit unter dem langfristigen Durchschnitt von annähernd 2 Prozent liegt. Tatsächlich nähert sich der Markt jetzt einem 2-Prozent-Ausfall-Szenario für 2023 an, wobei JP Morgan laut Bloomberg die Ausfallquote kürzlich nach unten korrigiert hat.
Womit hängt die niedrige Ausfallrate zusammen?
Erklären lässt sich die niedrige Ausfallquote durch mehrere Faktoren:
- Nachlassende Erdgaspreise nach einem milden Winter und europäische Bemühungen, die Gasspeicher zu füllen
- Unternehmensergebnisse, die besser ausfallen als erwartet
- Der Auftrieb durch die Wiedereröffnung Chinas nach Aufhebung der Covid-Beschränkungen
- Die Bilanzen der Unternehmen sind in guter Verfassung, der Zinsdeckungsgrad (EBITDA im Verhältnis zum Zinsaufwand) ist so hoch wie noch nie
Diese Themen haben sich in mehreren Sektoren positiv ausgewirkt. Die Zulieferer in der Automobilindustrie litten 2021/22 unter steigenden Rohstoffkosten und Engpässen in der Lieferkette infolge der Covid-Beschränkungen und der harten Lockdowns in China, doch zumindest die Lieferengpässe fallen nicht mehr so stark ins Gewicht. Die Automobilhersteller haben 2022 von den erschwerten Bedingungen profitiert, da die Nachfrage die Produktionsengpässe in der Lieferkette ausstach und es ihnen ermöglichte, insgesamt mehr Fahrzeuge mit höheren Margen abzusetzen. Gleichzeitig gelang es, die Preise der Zulieferer unter Kontrolle zu halten. Die Automobilhersteller sind mit einem umfangreichen Auftragsbestand in das Jahr 2023 gegangen, was Unsicherheiten über die kurz- und mittelfristige Verbrauchernachfrage die Spitze nimmt.
Der europäische Chemiesektor hat ebenfalls von diesen Themen profitiert. Aufgrund der im Jahr 2022 stark gestiegenen Erdgaspreise zogen es viele Kunden zunächst vor, ihre Lager zu leeren und neue Bestellungen aufzuschieben, sodass einige Chemieunternehmen ihre Anlagen schließen mussten. Im März 2023 haben die Erdgaspreise jedoch von ihrem Höchststand um mehr als 80 Prozent zurückgesetzt und liegen etwa ein Drittel niedriger als Anfang 2022. Das gefürchtete Szenario einer tiefen Rezession ist damit vom Tisch, und die Nachfrage aus dem Industriesektor hat sich belebt. Es wird erwartet, dass der europäische Industriesektor auch von der anziehenden Nachfrage aus China profitieren wird. Der britische Petrochemie-Hersteller INEOS, der als ein vielbeachteter Indikator für den Sektor fungiert, berichtete, dass sich die Endmärkte vom Lagerabbau-Zyklus erholen. INEOS erwartet eine Normalisierung der Marktbedingungen bis Mitte 2023.
Ein weiterer günstiger Faktor für Europa ist die geringe Zahl an bevorstehenden Fälligkeiten von Anleihen im Jahr 2023: Mitte März wurden Anleihen im Wert von weniger als 13 Milliarden Euro fällig. Dies entspricht nur etwas mehr als 2,5 Prozent des Marktwerts (Analyse von Bloomberg/Columbia Threadneedle Investments, Stand: 15 März 2023) – eine sehr überschaubare Größe, auch wenn man bedenkt, dass die ausgeprägte Liquidität ausgleichend wirkt.
Größere Herausforderungen in 2024 und 2025
Auf längere Sicht stellen die Jahre 2024 und 2025 mit Fälligkeiten in Höhe von 9 beziehungsweise 15 Prozent des Marktwerts (Bloomberg-Analyse, Stand: 23. März 2023) größere Herausforderungen dar. Wir gehen jedoch davon aus, dass diese Herausforderung zumindest teilweise bewältigt werden kann, da umsichtige und proaktive Emittenten ihre mittelfristigen Fälligkeiten weit im Voraus planen. Die Vermeidbarkeit von Zahlungsausfällen wird auch dadurch wahrscheinlicher, dass die Emittenten mit den Anleiheinvestoren Vereinbarungen treffen, um aktuell gültige Laufzeiten im Gegenzug für finanzielle Anreize in die Zukunft zu verlängern.
Alles in allem widersetzt sich der europäische Markt für Hochzinsanleihen den Ausfallerwartungen, profitiert von einem günstigen Umfeld und scheint auch mittelfristig widerstandsfähig zu sein. Bei Zyklikern wie dem Automobilbau und der Chemieindustrie bleiben wir zwar vorsichtig, doch die jüngste Entwicklung ist vielversprechend.
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