Von Mitte Februar bis Ende März entwickelten sich Risikomärkte ganz allgemein – und insbesondere die Märkte für Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating – so schlecht wie selten zuvor. Auslöser war die Covid-19-Krise und besonders auffällig in dieser Phase waren sowohl das Tempo als auch das Ausmaß der Ausweitung der Risikoprämien
Konkret haben sich die Spreads globaler Investment-Grade-Anleihen gegenüber Staatsanleihen im Zuge des bisher schnellsten Ausverkaufs von Papieren mit Investment-Grade-Rating von 100 Basispunkten auf 340 Basispunkte ausgeweitet. Gleichzeitig sind die Spreads damit auch so hoch wie seit der globalen Finanzkrise von 2008 nicht mehr, damals näherten sie sich 500 Basispunkten an.1.
Im März lag die Überschussrendite bei -9 %2 und war damit schlechter als die -6 % und -5 % vom September bzw. Oktober 2008 (auf den ICE BofA Global Corporate Index) während der globalen Finanzkrise.<sup>3</sup> Mit 340 Basispunkten waren die Spreads globaler Investment-Grade-Anleihen rund drei Standardabweichungen von ihrem langfristigen Durchschnitt von 130 Basispunkten entfernt. Im April verengten sich die Spreads etwas. Inzwischen beträgt der Abstand zum langfristigen Durchschnitt 1,2 Standardabweichungen.
Fragen, auf die wir eine antwort suchten
Diese Spread-Ausweitung warf verschiedene Fragen für unsere Investmentstrategie auf: Sind die Kreditmärkte so günstig, dass ein höheres Portfoliorisiko gerechtfertigt ist? Wenn ja, wie groß sollte dann der Anteil unseres Risikobudgets sein, den wir einsetzen? Ist dies eine einmal in einem Jahrzehnt auftretende Chance, mehr Risiken einzugehen – ein „Fat Pitch“ oder eine einmalige Gelegenheit?
Aufgrund unseres auf Fundamentaldaten ausgerichteten Bottom-up-Ansatzes müssen wir zur Beantwortung dieser Fragen zunächst die Fundamentaldaten der Unternehmen analysieren. Erst dann können wir wirklich entscheiden, ob die Risiken durch die Bewertungen mehr als ausreichend kompensiert werden oder nicht. Zweifellos sind die Kurse an den Märkten massiv gesunken, aber wir durchleben auch gerade eine beispiellose Phase, in der ganze Sektoren zum Stillstand gekommen sind, Einwohner ganzer Länder sich in Quarantäne befinden und die Arbeitslosenzahlen erheblich steigen.
Die reaktion auf die krise
Zu Jahresbeginn 2020 standen wir dem Kreditzyklus „vorsichtig“ gegenüber. Zurückzuführen war dies auf den verstärkten Fokus auf Aktionärsrenditen, den erhöhten Fremdkapitalanteil, die verschärften Finanzbedingungen (allerdings war Europa hier wegen der quantitativen Lockerungsmaßnahmen der EZB eine Ausnahme) und die Bewertungen, die nur nahe an, wenn nicht unter ihrem langfristigen Durchschnitt lagen.
Heute stellt sich die Lage ganz anders dar. Die Zentralbanken und Regierungen haben die Regeln über Bord geworfen und neuartige, umfassende Programme aufgelegt, um Zahlungsausfälle zu verhindern. Die Zentralbanken versorgen das Finanzsystem mit ihren Kreditfazilitäten mit nahezu unbegrenzter Liquidität. Gleichzeitig wurden beispiellose Konjunkturpakete für Unternehmen und Privathaushalte geschnürt, um einen wirtschaftlichen Zusammenbruch zu verhindern und dafür zu sorgen, dass sich die Wirtschaft vom Schock dieser Pandemie erholen kann. Dies ist äußerst beachtlich. Daher haben wir unsere Beurteilung des technischen Hintergrunds auf „vorteilhaft“ heraufgestuft.
Ungünstige wirtschaftliche bedingungen, schlechtere verfassung der unternehmen
Unsere Beurteilung der wirtschaftlichen Aussichten wurde jedoch auf „negativ“ herabgestuft. Unseres Erachtens wird es unweigerlich zu einer massiven weltweiten Rezession kommen. Die ersten Daten zur Entwicklung des Einkaufsmanagerindex (Geschäftsklima) sowie die Arbeitsmarktdaten für die USA zeichnen ein besonders alarmierendes Bild. An den Gewinnzahlen der Unternehmen für das erste Quartal lässt sich ganz deutlich der Umsatzeinbruch in der gesamten Wirtschaft ablesen. In unserem Basisszenario gehen wir von einer „U-förmigen“ Erholung aus, bei der es rund zehn Quartale dauern wird, bis nach einem stark negativen Jahr 2020 wieder das Wachstumsniveau von 2019 erreicht wird.
Im Hinblick auf die Unternehmen haben wir die Fundamentaldaten zu Jahresbeginn negativ eingeschätzt und diese Beurteilung hat sich inzwischen noch verschlechtert. Zu Beginn war die Verschuldung der Unternehmen hoch und wir machten uns Sorgen, dass die Bilanzen durch einen irgendwann auftretenden Konjunkturschock unter Druck geraten könnten. Die Zentralbanken und die Regierungen haben die Wirtschaft während der Shutdown- Phase in beispielloser Weise mit Liquidität unterstützt. Da die Unterstützung aber in Form von Krediten geleistet wurde, sind die meisten Unternehmen in einer Zeit, in der ihre Umsätze weggebrochen sind, nun noch stärker verschuldet als vorher.
Der Fremdkapitalanteil dürfte somit bei den von uns analysierten Unternehmen steigen. Natürlich sind die Zinsen niedrig, diese Schulden sollten also bedient werden können. Es ist und bleibt aber eine Tatsache, dass Unternehmen mit einem ohnehin hohen Fremdkapitalanteil nun noch mehr Kredite aufnehmen müssen, um ihre Bilanzen zu stärken, andernfalls können sie die Krise nicht überstehen und werden insolvent. Die Maßnahmen sollen eine Konkurslawine vermeiden und sind daher zu begrüßen. Allerdings wird die Qualität der Unternehmensbilanzen unseres Erachtens massiv leiden.
Werden die risiken überkompensiert?
Das globale IG-Universum weist seit 2000 ein Durchschnittsrating von A auf. Der Nettoverschuldungsgrad bewegt sich dabei in den USA bei etwa 1,2 und in Europa bei rund 2,3. Die Unternehmen mit BBB-Rating in diesem Universum haben im Durchschnitt einen Nettoverschuldungsgrad von etwa 2 in den USA und 2,6 in Europa. Wenn wir die Bottom-up-Prognosen unserer Analysten in unserem Covid-19- Negativszenario kombinieren, dann steigt der Nettoverschuldungsgrad bei US-amerikanischen Unternehmen mit IG-Rating von 1,7 auf 2,2 und bei europäischen noch höher.
In einem Stressszenario erhöht sich also der Nettoverschuldungsgrad des globalen IG-Universums auf ein Niveau, das man eher bei BBB-Unternehmen erwarten würde. Wir vergleichen die globalen IG-Papiere mit der vergangenen Entwicklung eines BBB-Index, um die mögliche Bonitätsverschlechterung zu berücksichtigen und abzuschätzen, was bereits eingepreist ist.
Ende April betrug der Spread globaler IG-Anleihen 209 Basispunkte, damit waren sie gegenüber ihrem langfristigen Durchschnitt von 130 Basispunkten um 1,2 Standardabweichungen günstiger. Allerdings beträgt der Abstand zum langfristigen BBB-Durchschnitt von 190 Basispunkten nur 0,2 Standardabweichungen. Zugegeben, dies ist ein Negativszenario mit einem hohen Stressfaktor und nicht unser Basisszenario, aber es hilft uns, unsere Risikobereitschaft festzulegen. Die Spreads sind tatsächlich günstig und weisen hohe Aufschläge gegenüber dem durchschnittlichen BBB-Spread auf, aber vielleicht trotzdem nicht „einmalig“ günstig, wenn man bedenkt, wie sehr sich die Fundamentaldaten der Kreditnehmer verschlechtern könnten.
Wie haben wir unsere portfolios also ausgerichtet?
Ende März haben wir das Risikoprofil unserer Fonds erhöht, von weitgehend neutral auf etwa 75 % unseres Risikobudgets.4 Dies geschah vorrangig durch ein verstärktes Engagement in defensiven Sektoren, die unseres Erachtens die Krise gut überstehen und in einigen Fällen sogar gestärkt aus ihr hervorgehen werden.
Wir haben unsere Positionen in den Sektoren Technologie, Versorger, Getränke und Basiskonsumgüter aufgestockt. Innerhalb des Bankensektors haben wir umgeschichtet, um diejenigen Institute in Ländern mit einer soliden Haushaltslage höher zu gewichten.
Es kann durchaus sein, dass sich die Managementteams nach der Covid-19- Krise darauf konzentrieren werden, die Schulden abzubauen. Vorerst werden wir aber unser Engagement weiterhin in eher defensiven Sektoren verstärken, verfolgen eine Übergewichtung des Kreditrisikos, stufen die Bewertungen aber nicht als so günstig ein, dass ein vollständiger Einsatz des Risikobudgets gerechtfertigt wäre.