2021 war ein Jahr der boomenden Märkte. Es drohte sogar eine Überhitzung, bevor der Ausbruch der
Omikron-Variante des Coronavirus dieser Gefahr ein Ende setzte. Die hohen Unternehmensgewinne auf beiden
Seiten des Atlantiks haben die Aktienmärkte unterstützt, dabei waren die US-Zahlen im vierten Quartal
besonders stark.
Doch die Coronavirus-Pandemie dämpft den Preisauftrieb und
die neue Virusvariante hat das Schreckgespenst Inflation,
das 2021 zurückkehrte, wieder in den Hintergrund rücken
lassen. Die Zentralbanken werden mit Leitzinserhöhungen länger
warten, die Renditen von Anleihen werden wieder sinken und
die 10-jährigen US-Staatsanleihen werden zulegen und sich am
Ende in einem Renditebereich von 130 bis 170 Basispunkten
bewegen. Das Verhalten der US-Finanzmärkte ist von größter
Bedeutung für ihre europäischen Pendants.
Wir dürfen nicht vergessen: Ein Coronavirus ist ein besonders
tückisches Erkältungsvirus. In den kommenden Monaten wird
das Wetter bei uns auf der Nordhalbkugel wieder kühler werden
und dann werden die Infektionszahlen wieder deutlich steigen.
Dies wird erst dann aufhören, wenn die ganze Welt geimpft
ist. Und das bedeutet wiederum, dass sich die Höhenflüge an
den Aktienmärkten, die wir in den vergangenen 18 Monaten
beobachten konnten, 2022 nicht wiederholen werden. In diesem
Jahr werden alle Finanzmärkte volatil sein.
Die Wirtschaft wird in einem schwierigen Winter immer wieder vorübergehend
ins Stocken geraten und dann wieder wachsen, die Umsatzzahlen einiger
Unternehmen werden daher für manch böse Überraschung sorgen. Wenn
sich die US-Wirtschaft als einigermaßen widerstandsfähig erweist, werden
sich Anlegern dort zahlreiche Chancen bieten. Eine Titelauswahl gestützt auf
messerscharfes Research wird somit das Gebot der Stunde sein.
Entscheidend sind die Reaktionen der Verbraucher. Es ist noch zu früh,
um die Aussichten für Unternehmen aus der Tourismus- und
der Freizeitindustrie positiv einzuschätzen. Einige überverkaufte
Basiskonsumgüterwerte könnten dagegen ein gutes Wertpotenzial aufweisen,
denn sicheres Wachstum wird belohnt. Auch einige Titel aus dem Sektor
Nicht-Basiskonsumgüter könnten sich weiterhin erfreulich entwickeln.
Zyklische Aktien werden angesichts der erneuten Unsicherheit nur schwer
eine Outperformance erreichen. Banken benötigen ein positives, ungetrübtes
Umfeld, um erfolgreich zu sein. Ohne optimistische Umsatzerwartungen,
zuversichtliche Kreditnehmer, restriktive Zentralbanken und dynamische
Kapitalmärkte sind ihre Gewinne gefährdet.
Die Aktien europäischer Luxusgüterunternehmen sind interessant. Diejenigen
wie Hermès und LVMH, die auf der Luxuspyramide ganz oben stehen, können
sich in dieser Welt der Unsicherheit hervorragend behaupten. Sie verknappen
ihre Produkte und machen sie damit noch begehrenswerter – Kunden lassen
sich nur zu gerne auf Wartelisten setzen. Und wir sprechen hier nicht nur von
Handtaschen, auch Geschirr wird stark nachgefragt. Wenn die Nachfrage
massiv einbrechen sollte, können sie einfach ihre Warteliste abarbeiten.
Die UN-Klimakonferenz COP26 war für Unternehmen überall auf der Welt
ein Wendepunkt. Sie müssen nun die Theorie des Klimaabkommens von
Paris aus dem Jahr 2015 in die Praxis des Klimapakts von Glasgow aus dem
Jahr 2021 umsetzen. Sie müssen bessere Ziele und bessere Informationen
präsentieren, andernfalls werden sie von den Aktionären zur Rechenschaft
gezogen werden. Als Investoren werden wir von unserem Stimmrecht
Gebrauch machen – und auch gegen die Unternehmensleitung stimmen, wenn
wir Veränderungen erzwingen müssen. Bis zum Ziel der Netto-Null-Emissionen
im Jahr 2050 ist es noch ein weiter Weg, das Zwischenziel 2030 ist hingegen
nicht mehr weit entfernt. Wenn die durchschnittliche Erderwärmung auf
weniger als zwei Grad Celsius begrenzt werden soll, dann stehen wir vor
großen Aufgaben.
Ich habe viel Vertrauen in die menschliche Natur, aber die Veränderungen
müssen schneller vonstattengehen. Die Wissenschaft hat bewiesen,
was sie leisten kann, als in kürzester Zeit ein Impfstoff gegen das Coronavirus
entwickelt wurde. Die Wissenschaftler sind zu intelligent, um bei der Suche
nach den richtigen Lösungen für die Klimaprobleme zu scheitern.
Auf der obersten politischen Führungsebene in Europa finden derzeit
erhebliche Veränderungen statt. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel
hat sich nach 16 Jahren im Amt nicht mehr zur Wiederwahl gestellt. Unter
der neuen Regierung könnte verstärkt in die Infrastruktur investiert werden,
was das Land auch dringend benötigt. Das Ergebnis der französischen
Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022, die sowohl für Großbritannien als auch
für das europäische Festland von entscheidender Bedeutung sind, ist bislang
völlig offen.
2022 dürfte ein Jahr werden, in dem es immer wieder zu Unterbrechungen
und neuen Anläufen kommen wird. Detailliertes Research für ein besseres
Verständnis der Unternehmen und Geschäftsmodelle wird sich auszahlen.
Unternehmen mit umsichtigen Geschäftspraktiken, die ihre Hausaufgaben
gemacht haben, werden sich gute Gelegenheiten für Übernahmen bieten.
Und wie immer wird es auch Chancen für eine intelligente Titelauswahl geben.